Erblich bedingter Brustkrebs – Was kann meine Diagnose für meine Familie bedeuten? - TEIL 1
Meist tritt Brustkrebs zufällig im Laufe des Lebens auf, in seltenen Fällen jedoch ist das Risiko zu erkranken durch eine familiäre Vorbelastung deutlich erhöht. Etwa 5 bis 10 von 100 Betroffenen weisen einen erblich bedingten Brustkrebs auf.
Hinweise auf erblich bedingten Brustkrebs
Vielleicht hatte die Mutter schon eine Krebserkrankung wie Brustkrebs oder Eierstockkrebs? Oder die Schwester ist betroffen und der Onkel auch? Gehäufte Krebserkrankungen in einer Familie können ein Hinweis auf erblich bedingten Brustkrebs sein. Aber nur, wenn die Erkrankungen in einer Familienlinie vorkommen – also entweder mütterlicher- oder väterlicherseits. Ein weiterer Hinweis auf erblich bedingten Brustkrebs ist ein junges Erkrankungsalter. Auch bestimmte Brustkrebsarten (z.B. Triple-Negativer Brustkrebs) können auf einen familiären Hintergrund hindeuten.
Was versteht man unter “erblich bedingter” Brustkrebs?
Der Körper besteht aus vielen Zellen. Im Kern jeder Zelle liegt das gesamte Erbmaterial eines Menschen. Dieses besteht aus Chromosomen. Die Chromosomen bestehen wiederum aus DNA-Fäden. Einzelne Abschnitte der DNA heißen Gene. Das Erbmaterial ist vergleichbar mit einer Bibliothek: Es hat Bücherregale (Chromosomen), die aus sehr vielen Büchern (Genen) bestehen. Darin steht der Bauplan des Körpers. Manchmal kommt es zu Veränderungen in den Genen. Diese Veränderungen werden Mutationen genannt. Bildlich gesprochen stehen bei Genmutationen die Bücher nicht mehr an der richtigen Stelle oder wurden ausgetauscht, sodass sie nicht mehr lesbar sind.
Bei einem erblich bedingten Brustkrebs ist von Geburt an eine bestimmte Mutation in einem Gen in allen Körperzellen vorhanden. Die Betroffenen haben diese Mutation von ihrer Mutter oder ihrem Vater geerbt und sie können diese Mutation an ihre Kinder weitergeben. Diese Art von Mutation wird auch Keimbahnmutation genannt. Das bedeutet, dass die Genveränderung entweder durch die Eizelle der Frau oder die Samenzelle des Mannes (=Keimzellen) vererbt wird und in allen Körperzellen vorkommt.
Häufig wird ein erblich bedingter Brustkrebs durch eine Mutation in den sogenannten Brustkrebs-Hochrisikogenen BRCA1 und BRCA2 verursacht. BRCA steht für Breast Cancer, das englische Wort für Brustkrebs. Nicht mutierte BRCA-Gene sind bei jedem Menschen von Geburt an in fast allen Zellen vorhanden. Sie sorgen dafür, dass DNA-Schäden ausgebessert werden, also die Bücher wieder in die richtigen Regale kommen, und verhindern dadurch eine Krebsentstehung. Mutationen in den BRCA-Genen führen jedoch dazu, dass diese Schäden nicht mehr repariert werden können und es zu Krebs kommen kann.
Menschen mit einer BRCA-Mutation haben ein höheres Risiko, an bestimmten Krebsarten zu erkranken als die Durchschnittsbevölkerung. So haben Frauen, die ein mutiertes BRCA-Gen aufweisen, ein stark erhöhtes Risiko, an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken. Aber auch Männer können an Brustkrebs erkranken: Männer mit einer Mutation im BRCA-Gen haben ein höheres Risiko, an Brustkrebs und/oder Prostatakrebs zu erkranken. Da Brustkrebs als typische „Frauenkrankheit“ gilt, wird diese Tumorform bei Männern oft spät entdeckt, was die Heilungschancen verringert. Daher sollten Männer, die einen Knoten in der Brust spüren, zeitnah eine Ärztin / einen Arzt aufsuchen.
Außer BRCA1 und BRCA2 sind noch eine Reihe anderer sogenannter Brustkrebs-Hochrisikogene bekannt, z.B. RAD51, PALB2 und CHECK2.
Wie werden „Brustkrebsgene“ vererbt?
Wenn Eizelle und Samenzelle (=Keimzellen) miteinander verschmelzen, entsteht die erste Zelle eines Menschen. Im Zellkern liegt das gesamte Erbmaterial. Bei jeder nachfolgenden Zellteilung wird immer eine vollständige Kopie des Erbmaterials an die beiden Tochterzellen weitergegeben. So trägt jeder Mensch in jeder einzelnen Zelle sein gesamtes Erbmaterial.
Der Mensch hat 46 Chromosomen. Jedes Chromosom liegt in zweifacher Ausfertigung vor - eine Kopie kommt von der Mutter, eine vom Vater (23 Chromosomenpaare).
Eine Mutation in einem Brustkrebs-Hochrisikogenen kann daher sowohl von der Mutter als auch vom Vater an die Kinder vererbt werden. Jedes Kind erbt das mutierte Gen mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % (autosomal-dominante Vererbung). Hat ein Kind die Genmutation nicht geerbt, so sind auch dessen künftige eigene Kinder nicht betroffen. Hat ein Kind die Genmutation geerbt, so hat es ein mutiertes Gen von einem Elternteil und ein normales Gen vom anderen Elternteil erhalten. Erst wenn die normale Genkopie ebenfalls im Laufe des Lebens von einer Mutation betroffen ist, kommt es zur Krebsentstehung. Bildlich gesprochen haben Menschen normalerweise zwei Sicherungen gegen die Entstehung von Krebs. Ist man Träger:in einer Genmutation, so ist nur mehr eine Sicherung vorhanden. Das erklärt, warum nicht alle Menschen, die Träger:innen eines mutierten Brustkrebs-Hochrisikogens sind, an Krebs erkranken. Dennoch kann das mutierte Gen an die nächste Generation weitergegeben werden.
Den Vortrag zum Thema "Erblich bedingter Brustkrebs - Was kann meine Diagnose für meine Familie bedeuten?" von OÄ Dr. Johanna Czihak, MSc vom zweiten INFO- UND NETZWERKABEND für Brustkrebspatient:innen und Angehörige (11.05.2023, Villach) finden Sie in der Mediathek.